Vor einer Woche wurde öffentlich, dass der Kandidat der CSU für das Bürgermeisteramt in Oberleichtersbach, für den dortigen Gemeinderat und für den Kreistag des Landkreises Bad Kissingen, Oliver Fell auf seinem Facebookprofil bis zum Sommer aggressive Kommentare gegen Flüchtlinge und Inhalte der AfD geteilt hat. Darüber hinaus wurde bekannt, dass ein weiterer, namentlich öffentlich nicht bekannter Kandidat der CSU für den Gemeinderat ein frauenverachtendes Video, in dem verfassungsfeindliche Kennzeichen verwendet werden, über WhatsApp verteilt haben soll. Gegen diesen Kandidaten ermitteln die Strafverfolgungsbehörden.
Als Kreisvorsitzende von SPD und GRÜNEN haben wir mit Rücksicht auf die ehrenamtliche Struktur der CSU Oberleichtersbach bislang darauf verzichtet, zu diesen Vorgängen öffentlich Stellung zu nehmen. Wir haben erwartet, dass die CSU im Landkreis Bad Kissingen ihrer Verantwortung gegenüber den Wählerinnen und Wählern unmittelbar vor einer Wahl gerecht werden und unmissverständlich klar machen wird, dass solche Kandidaten nicht mehr ihre Unterstützung genießen. Im Kommunalwahlkampf sollte die Grenzziehung zum Extremismus nicht im Mittelpunkt der Debatte stehen müssen.
Die einzige erkennbare Konsequenz besteht bislang darin, dass die CSU Oberleichtersbach die Erklärung von Oliver Fell zu seinen Posts auf ihrer Facebook-Seite geteilt und sich damit offenbar zu eigen gemacht hat. Oliver Fell wird weiterhin als Bürgermeisterkandidat der CSU beworben, auch für den Gemeinde- und den Kreistag hat er weiterhin die Unterstützung der CSU. Ein weiterer Gemeinderatskandidat, gegen den der Staatsschutz ermittelt, kann nach wie vor mit den Stimmen für die CSU gewählt werden. Da dessen Name nicht bekannt ist, ist es den Wählerinnen und Wählern der CSU noch nicht einmal möglich, seine Wahl durch Streichung zu verhindern.
Wir haben am Mittwoch nicht öffentlich Aufforderung an den Kreisvorsitzenden der CSU Sandro Kirchner gerichtet, diesen Personen unmissverständlich die Unterstützung der CSU zu entziehen. In der Antwort der CSU werden jedoch keine konkreten Maßnahmen genannt, es bleibt bei der folgenlosen Distanzierung. Der Kreisgeschäftsführer verweist auf die Satzung, die solche Entscheidungen dem Ortsverband Oberleichtersbach vorbehalte. Mindestens für die Kreistagsliste ist das unplausibel.
Dabei rückt die Kommunalwahl immer näher, viele Wählerinnen und Wähler haben bereits von der Briefwahl Gebrauch gemacht oder werden dies noch vor dem 15. März tun. Gegenüber der Presse hat er erklärt, dass er an der Unterstützung des Kandidaten Oliver Fell festhalten will. Ohne nachvollziehbare Begründung. Zum Umgang mit dem namentlich unbekannten Gemeinderatskandidaten auf der CSU-Liste Oberleichtersbach gibt es keinerlei Aussage.
Wir halten die Auseinandersetzung der beiden Kandidaten selbst mit den von ihnen verbreiteten Inhalten für völlig unzureichend, um eine weitere Unterstützung durch eine demokratische Partei zu rechtfertigen. Dass sich Oliver Fell auf Emotionalität beruft, lässt nicht erkennen, dass er verstanden hat, wie sehr die Verbreitung solcher aggressiver Parolen Menschenleben gefährdet. Emotionalität ist keine Rechtfertigung dafür. Im Gegenteil: Wer sich so wenig im Griff hat, ist für kein öffentliches Amt geeignet: Nicht als Gemeinderat, nicht als Kreisrat und erst recht nicht als Bürgermeister.
Wir gestehen jedem Menschen zu, dass er Fehler macht und daraus lernt. Aber gerade die Rechtfertigung mit den eigenen Emotionen wirft die Frage auf, ob Oliver Fell klar ist, was seine Aufgabe als Bürgermeister wäre: In diesen Zeiten sind alle, die die Demokratie und die vielfältige Gesellschaft in Ämtern vertreten, zu Besonnenheit, zu Mäßigung verpflichtet und dazu, sich vor Menschen ihrer Gemeinde zu stellen, die angegriffen werden. Gerade dann, wenn Hass und Hetze sich im Netz verbreiten. Und gerade das hat Oliver Fell offenbar nicht verstanden.
Oliver Fell tritt nicht als unabhängiger Kandidat an, sondern als Mitglied und mit der Unterstützung der CSU. Wenn diese Unterstützung nicht entzogen wird, nimmt die CSU billigend in Kauf, einem erwiesenermaßen nicht geeigneten Kandidaten mit öffentlich bekundeten Sympathien für AfD-Positionen ins Amt zu verhelfen.
Dass die CSU sich darüber hinaus nicht namentlich einem Kandidaten auf ihrer Liste Oberleichtersbach, gegen den der Staatsschutz ermittelt, die Unterstützung entzieht und so wenigstens den Wählerinnen und Wähler ermöglicht, die Wahl dieser Person bei einer Stimmabgabe für die CSU-Liste für Oberleichtersbach zu vermeiden, ist inakzeptabel.
Die angebliche Distanzierung von den Äußerungen der beiden Kandidaten bei gleichzeitig fortdauernder Unterstützung mit CSU-Listenstimmen, Wahlmaterial und Werbung ist unglaubwürdig. Dieser Versuch des Aussitzens durch den Kreisvorsitzenden Sandro Kirchner ist mit der vom Parteivorsitzenden Markus Söder ausgegeben klaren Grenze zur AfD nicht vereinbar.
Dass die CSU-Spitze die Geschichte ihres eigenen Kreisverbands vergisst, in dem große Persönlichkeiten wie Dr. Maria Probst nach dem Krieg einen immensen Einsatz für Flüchtlinge gezeigt haben, aus dem mit Marko Dyga sogar ein Landrat hervor ging, der als Vertriebener aus Schlesien im Landkreis seine neue Heimat gefunden hat, macht uns betroffen.
Die weit überwiegende Zahl der Mitglieder und kommunalpolitisch Aktiven der CSU im Landkreis Bad Kissingen steht außerhalb jedes Verdachts einer Nähe oder Sympathie zur AfD, zu rassistischen oder flüchtlingsfeindlichen Positionen. Sie, ebenso wie die Wählerinnen und Wähler, hätten eine konsequente Grenzziehung durch den CSU-Kreisvorstand verdient. So lange das nicht der Fall ist, kann bedauerlicherweise keine Wählerin und kein Wähler sicher sein, dass er mit einer Stimme für die CSU nur Demokraten und geeignete Kandidaten unterstützt.
Siehe hierzu auch den Bericht in der MAINPOST vom 05.03.2020