Bad Kissingen/Rhön-Grabfeld/Haßberge
Auf großes Interesse
stieß der SPD-Zukunftsdialog unter dem Motto
„Gesundheitspolitik heute“, zu dem die Abgeordnete Susanne
Kastner Ärzte und Klinikvertreter aus den drei Landkreisen
ihres Wahlkreises ebenso begrüßen konnte wie Vertreter von
Selbsthilfegruppen und zahlreiche Kommunalpolitiker. Als
prominente Unterstützung hatte Kastner ihre Kollegin Dr. Carola
Reimann, die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im
Deutschen Bundestag, und die örtliche Landtagsabgeordnete und
Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar mitgebracht.
Dittmar, die sich im Herbst für das Bundestagsmandat bewirbt
und damit nach über zwei Jahrzehnten die Nachfolge von
Susanne Kastner antreten möchte, äußerte in ihrer kurzen
Einführung als ehemalige Hausärztin die Sorge um die Zukunft
der medizinischen Versorgung gerade im ländlichen Raum. Sie
kritisierte in diesem Zusammenhang die Landespolitik in Bayern
und setzt sich für eine Stärkung der Allgemeinmedizin an den
Hochschulen im Freistaat ein, um den Nachwuchs für den Beruf
des Hausarztes zu begeistern.
Auch die Bereiche Prävention und Rehabilitation sieht sie in der aktuellen Gesundheitspolitik nicht ausreichend berücksichtigt. Dabei wäre eine gute Vor- und
Nachsorge im medizinischen Angebot für die Menschen ein
Gewinn und könnte zudem die hiesige Gesundheitsregion
nachhaltig stärken. Diese Argumentation griff auch Dr. Reimann
auf, die in ihrem Diskussionsbeitrag bedauerte, dass zahlreiche
von der damaligen Gesundheitsministerin Schmidt eingeführten
Präventionsprogramme von der Schwarz-Gelben Bundesregierung
nicht verlängert worden seien. Dabei waren diese Mittel sehr
sinnvoll angelegt, um chronische Volkskrankheiten wie Diabetes
oder Herz-Kreislauf-Leiden langfristig einzudämmen. Schulungen
von der Kinderkrippe an seien für die Gesellschaft unter dem
Strich günstiger als die Folgekosten dieser weit verbreiteten
Krankheiten, die häufig durch unausgewogene Ernährung und zu
wenig Bewegung verursacht würden.
Die Finanzen waren ein
weiterer Aspekt, auf den die Abgeordnete einging.
Die SPD kämpfe seit Jahren für eine Bürgerversicherung. Das Zwei-Klassen-System in der Medizin
mit allgemeinen und privaten Kassen sei veraltet. Alle Bürgerinnen und Bürger müssten in die
Krankenkassen aufgenommen werden, unabhängig von ihrem Krankheitsrisiko oder gar
Gesundheitsprüfungen. Je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit würden sie mit anteiligen
Beiträgen auf ihr Einkommen beteiligt und hätten dann Anspruch auf eine einheitliche
medizinische Versorgung. Dazu gehörten auch wohnortnahe und gut ausgestattete Krankenhäuser.
Leider würden in Deutschland zwar die meisten Operationen durchgeführt, aber es stelle sich die
Frage, ob diese tatsächlich alle notwendig seien und auch die Qualität stimme. Mitunter habe sie
den Verdacht, dass die Abrechnungsmöglichkeit einer Behandlung einen höheren Stellenwert als
die Sinnhaftigkeit habe. Aber es sei heute natürlich nicht einfach, kleine Krankenhäuser auf dem
Land mit möglichst geringem Defizit zu führen. Ein weiteres Problem im ländlichen Raum sei die
niedrige Facharztquote. Während in den Ballungszentren häufig eine Überversorgung herrsche,
müssten Patienten hier oft wochen- und monatelang auf Termine warten oder weite Wege in Kauf
nehmen. Dr. Reimann forderte daher eine enge Zusammenarbeit von Gesundheits- und
Bildungsministerium sowie eine Einbindung der Kultusministerien der Länder, um wieder eine
höhere Versorgungsbereitschaft bei den jungen Ärzten zu erreichen. In der Zukunft werde es sicher
andere Modelle geben, als sie die Patienten heute kennen. Gemeinschaftspraxen, Ärztehäuser und
medizinische Versorgungszentren könnten auch in dünner besiedelten Regionen die ärztliche
Versorgung sicherstellen und den Beruf wieder attraktiver gestalten, wobei auch die Telemedizin
eine wichtige Rolle spielen könne. Damit habe man in Israel, aber auch in den skandinavischen
Ländern sehr gute Erfahrungen gemacht. Deutschland werde weltweit um sein hervorragendes
Gesundheitssystem beneidet. Um dieses angesichts der demografischen Herausforderungen zu
erhalten, müssten alle Beteiligten eng zusammenarbeiten und auch die Kommunen mit einbezogen
werden.
Den Ausführungen der Politikerinnen folgte eine lebhafte Diskussion, an der sich neben den
anwesenden Ärzten auch Patienten und eine angehende Medizinstudentin mit spannenden und
auch kritischen Beiträgen beteiligten. Übereinstimmend wurde festgestellt, dass eine umfassende
medizinische Grundversorgung heute wohl kaum mehr kostendeckend geleistet werden könne.
Dabei wurden auch ganz spezielle Themen wie die Kosten für Prothesen und Implantate bei
unterschiedlichen Operationszahlen angesprochen. Die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe
kritisierten Änderungen bei der Betreuung von chronisch Kranken, die zum Abbau von Leistungen
führten und für die Betroffenen schwer verständlich seien. Eine junge Abiturientin aus Rhön-
Grabfeld, die Medizin studieren möchte, wurde von den Politikerinnen bestärkt, diesen Weg
einzuschlagen, sich neuen Entwicklungen gegenüber offen zu zeigen und nach ihrem Studium
wieder in die Heimatregion zurückzukehren. Susanne Kastner und Sabine Dittmar dankten Dr.
Carola Reimann für ihre kompetenten Antworten auf die aktuellen Fragen der Gesundheitspolitik
und für einen langen und lebendigen Diskussionsabend.